Etavillonieren – in Arbeit
„Unter Etavillonieren (vielfach fälschlich als „Etabinieren“ bezeichnet) versteht man gewissermaßen „das Einziehen“ des depsierten Lederstücks auf die Schablone, das „auf die Schablone arbeiten“ des Leders mit etwa notwendigem Beschneiden. Das Wort Etavillonieren kommt vom französischen Hauptwort Etavillon, was soviel wie Zuschnitt der Leder zu Handschuhen bedeutet. Wenn ich sage, das Leder wird eingezogen, so heißt das, dasß zunächst die depsierte Breite des Lederstücks auf die Schablonenbreite + Zugabe für Auspressen usw. eingezogen werden muss, wobei sich dann die erforderliche Länge aus dem Breiten-Einzug ergeben muß. Das widerum etwas angefeuchtete Lederstück wird mit beiden Händen in der Mitte angefaßt, so daß die beiden Daumen azf der einen Seite dieses parallel zu den Kanten der depsierten Breite und möglichst dicht beieinander liegen, während die Finger beider Hände auf der anderen Seite zu liegen kommen. Dann wird das Lederstück über die Tischkante ausgezogen, und zwar so lange, bis die Mitte gut aufgezogen ist. Danach wird die linke Hand in voller Breite auf das Lederstück aufgelegt und mit der rechten Hand die Länge ausgezogen und somit nach und nach die Schablonengröße erarbeitet. Ist das Ende des Lederstücks erreicht, dann werden die Ränder debordiert (französisch: déborder = ausweiten) . Man versteht darunter das Ausarbeiten oder Ausrecken der Lederkanten mit einer Pikette (französisch : le piquet = Pfahl oder Pflock) , die ein ähnliches Ausseheen wie die beim Dollieren erwähnte Passette hat. Das Debordieren mit diesem messerähnlichen Pflock ist notwendig, weil man die Ränder des Leders wegen nicht mehr genügender Angriffsfläche mit der Hand einfach nicht ausarbeiten kann. Die in der rechten Hand gehaltene Pikette wird mit ihrer Spitze auf dem Tischrand gestützt, der Rand des Leders über die Rückenseite der Pikette gelegt und mit dem Daumen auf dem Messerrücken gehalten. Dann zieht man den Lederrand so stark wie möglich aus. Nach dem Debordieren legt man das Hand-schuh-Lederstück in der Mitte zusammen, wobei sich dann nach richtigem Etavillonieren das zeigen muß, was beim Ridellieren bereits gesagt wurde. Ist das Lederstück zu lang, dann muss es unter Berücksichtigung der Zugabe für Auspressen usw. entsprechend der Schablonenlänge durch Abschneiden gekürzt werden.
Ebenso wie die Handflächen werden auch die Daumen etavilloniert, während bei den Schichteln ohne Schablone meist nur auf Breite und Länge gearbeitet wird.
Im Anschluß an das Etavillonieren wird in die Lederfläche der Hand die Handschuhnummer eingestempelt, vielfach auch der Daumen mit der gleichen Nummer versehen. Sofern nicht schon beim Depsieren die Kontroll- und laufende Nummer eingestempfelt worden sind, erfolgt das nunmehr.
Wichtig für das nachfolgende Fentieren ist, daß einmal die für ein Paar Handschuhe notwendigen zusammenpassenden Teile beieinander, zum anderen aber die Etavillons (so heißen jetzt die etavillonierten Handschuhstücke) gleich auspreßreif aufeinander liegen. Damit die Handschuhe für die rechte und die linke Hand richtig ausgestanzt werden, legt man die Etavillons Narbenseite auf Narbenseite. Wichtig ist die Kennzeichnung, wohin die Fingerseite kommen soll. Man tut das entweder durch EIndrücken eines Zeichens mit der Pikette oder durch Anschneiden oder Zusammenkleben der beiden Handschuhteile in den Fingern mittels eines Papierstreifens.
Nach Beendingung des Etavillonierens hat die Handschuhmacherarbeit einen gewissen Abschluß erreicht, denn in der Handschuhmachersprache unterscheidet man
– den Schnitt bis zur Maschine und
– den Schnitt bis zur Naht.
Unter Schnitt bis zur Maschine versteht man alle Schnittarbeiten, die der Handschuhmacher erledigen muß, bevor die Lederstücke zur Maschine – gemeint ist die Presse als einzige im Schnitt verwendete Maschine – kommen. Vielfach wird Wert darauf gelegt, daß der Handschuhmacher auch die dem Etavillonieren folgenden Arbeiten bis zur Übergabe der Schnittfertigen Handschuhe an die Nahtabteilung mit erledigt. Das scheint speziell beim Wildlederhandschuh heute noch der Fall zu sein.“
Zitat: Werner Gausche, 1959, S. 111f